Wie sollten Pferde mit Atemwegsproblemen am besten trainiert werden? Welche Übungen sind geeignet? Oder dürfen Pferde, die husten, nicht bewegt werden und müssen geschont werden?
Grundsätzlich gilt: Pferde sind Lauftiere und sämtliche Körperfunktionen sind auf Bewegung ausgerichtet. Das reicht von den Hufen bis hin zu den Organen, zu denen natürlich auch die Lunge gehört. Bewegung ist daher auch für hustende Pferde wichtig!
Solange ein Pferde keine starken Symptome hat, darf und soll es so normal wie möglich trainiert werden. Einige Übungen, die wir Ihnen hier vorstellen, können Sie auch machen, wenn Ihr Pferd stärker hustet.
Bevor wir Ihnen aber die Trainingstipps vorstellen, möchten wir noch einen kurzen Blick auf Anatomie und Biomechanik werfen. Dies hilft Ihnen zu verstehen, wie Husten auch auf den gesamten Pferdekörper wirkt.
Inhalt
Muskulatur und Atemwegsprobleme
Wenn Pferde husten, passiert es schnell, dass die für die Atmung zuständigen Muskeln verspannen. Wir Menschen kennen das auch. Haben wir eine ordentliche Erkältung, spüren wir die Muskeln sehr stark. Einige Muskeln, die zuständig sind für die Atmung des Pferdes, können darüber hinaus (zusätzlich) durch (falsches) Training, unpassendes Equipment und andere Ursachen in ihrer Arbeit behindert werden.
Atemmuskeln
An der Atmung sind vor allem folgende Muskeln beteiligt: das Zwerchfell und die Brustmuskeln, die Zwischenrippenmuskeln und die Bauchmuskeln. Weil die Muskeln im Pferdekörper über Muskelketten und Faszien miteinander verbunden sind, können Verspannungen in anderen Muskelbereichen auch die Atmungsmuskeln beeinträchtigen.
Lesetipp: Wie atmet ein Pferd? Das Atmungssystem des Pferdes auf einen Blick
Brustmuskeln
Kann sich beispielsweise der Brustkorb nicht ausreichend ausdehnen, weil der Sattelgurt zu eng ist und die Brustmuskeln negativ beeinträchtigt, weil der Reiter mit seinen Beinen klammert oder/und die Muskeln fest sind, kann das Pferd nicht ausreichend tief atmen und die Lungenkapazität ist begrenzt. Hat ein Pferd ohnehin schon Probleme mit der Atmung, kann das Problem verstärkt werden.
Rückenmuskeln
Ein anderes Beispiel ist der lange Rückenmuskel (M. longissimus): Ist dieser verspannt, überträgt sich seine Verspannung auf die Tiefenmuskulatur, beispielsweise auf den gemeinschaftlichen Rippenmuskel (M. iliocostalis), den Ausatmemuskel.
Bauchmuskeln
Auch verspannte Bauchmuskeln, wie sie bei hustenden Pferden häufig auftreten können, verhindern unter anderem, dass das Pferd seinen Rücken ordentlich aufwölben und mit der Hinterhand adäquat unter den Schwerpunkt fußen kann. Die Bauchmuskeln sind nämlich zuständig für das Aufwölben der Wirbelsäule.
Übungen, die gezielt die Bauchmuskeln ansprechen, sind immer auch tolle Übungen, um den Pferderücken zu stärken. Bei Pferden mit Atemwegsproblemen wirken diese Übungen lösend auf die teils verkrampften Muskeln, weil Muskeln immer paarweise als Agonist und Antagonist zusammenarbeiten.
Lesetipp: Muskelarbeit kann nur funktionieren, wenn der Körper ausreichend mit Sauerstoff versorgt ist. In unserem Beitrag Muskelaufbau beim Pferd: Ohne Sauerstoff geht’s nicht! erfahren Sie mehr darüber.
Massage und Bewegung
Neben verschiedenen Massagetechniken (ein paar zeigen wir Ihnen hier) können auch Bewegungsübungen dabei helfen, die betroffene Atmungsmuskulatur zu lösen und zu aktivieren.
Im Folgenden stellen wir fünf verschiedene Trainingsübungen vor, die (teilweise) sowohl geritten als auch vom Boden aus durchgeführt werden können.
Ein ganz wichtiger Aspekt vorab: Das Pferd sollte immer gut aufgewärmt sein, damit die Muskeln sich auch wirklich lösen und entspannen können und nicht noch weiter verspannen und verkrampfen.
Ausgiebiges Putzen vor der Trainingseinheit kann leichte Verspannungen in Muskeln und Faszien lösen. Auch eine Massagedecke, eine Magnetfeld– oder eine Bemer-Decke können dabei unterstützen. Danach sollten Sie Ihr Pferd mindestens 15 Minuten im Schritt arbeiten, um die Gelenke entsprechend auf das Training vorzubereiten. Die Schrittarbeit können Sie bereits mit verschiedenen leichten Aufwärmübungen wie Tempovarianzen, große Biegungen, Seitwärtstreten kombinieren.
Trainingstipp Nr. 1: Galopptraining
Wenn Pferde symptomfrei sind, tut ihnen Galopp – vor allem im Freilauf bzw. an der Longe oder auf gerader Strecke im Gelände – sehr gut.
Wirkung
Galopp hilft Pferden mit Atemwegsproblemen dabei, besser durchzuatmen. Denn der Galopp ist engt mit der Atmung verbunden. Bei jedem Galoppsprung macht das Pferd einen Atemzug. Je größer der Galoppsprung, desto tiefer atmet das Pferd.
Anhand des Raumgriffs im Galopp lässt sich erkennen, wie stark ausgeprägt die Atemwegsprobleme sind, weil Pferde, die Probleme mit der Atmung haben, meist weniger raumgreifend springen.
Trainingstipp Nr. 2: Gebogene Linien
Beim Reiten und Laufen auf gebogenen Linien, insbesondere auf dem Zirkel, muss das Pferd seine Außenseite vermehrt dehnen. Gleichzeitig ziehen sich die Muskeln auf der Innenseite zusammen, sie kontrahieren.
Wirkung
Wenn Pferde husten, verspannen häufig die Rippen- und die Bauchmuskeln. Durch das Training auf (großen) gebogenen Linien, können Sie diese Verspannungen lösen. Wichtig hierbei ist, dass sehr regelmäßige Handwechsel stattfinden und sich gebogene Linien mit geraden Linien abwechseln.
Variante 1: Zirkel vergrößern und verkleinern
Eine Variante der gebogenen Linie ist das (schneckenförmige) Vergrößern und Verkleinern des Zirkels. Dabei muss das Pferd seine Biegungsstärke verändern. Das bedeutet, dass es die Außenseite unterschiedlich stark dehnen und die Innenseite unterschiedlich stark kontrahieren muss. Dies löst und kräftigt zugleich alle am Atemsystem beteiligten Muskeln.
Variante 2: Achten
Um regelmäßige Seitenwechsel zu erreichen und keine Seite zu überlasten, bietet sich auch das Reiten bzw. bei der Bodenarbeit das Führen/Longieren von Achten an.
Trainingstipp Nr. 3: Form und Tempo verändern
Eine schöne Möglichkeit, um feste Bauch- und Rückenmuskeln zu lösen, ist das Verändern von Tempo und Form: Geht ein Pferd langsam, wird es kürzer und versammelt sich zunehmend, geht das Pferd schneller, darf es sich strecken und dehnen. Wichtig ist, dass das Pferd dabei sein Gewicht von der Hinterhand weg auf die Vorhand bringt
Wirkung
Je langsamer ein Pferd geht und sich versammelt – ganz gleich in welcher Gangart – desto mehr Kraft muss es aufbringen. Das ist anstrengend. Die anschließende Dehnung mit großen Schritten wirkt entspannend.
Bei dieser Übung werden sämtliche Muskeln trainiert. Relevant in unserem Zusammenhang sind die Bauchmuskeln, die hier ordentlich arbeiten müssen. Auf diese Weise lösen sich Verspannungen.
Trainingstipp Nr. 4: Zweibeinwippe
Pferdwippen erfreuen sich zu nehmend größerer Beliebtheit. Bei Pferden mit Atemwegsproblemen kann insbesondere das Training mit der Zweibeinwippe sinnvoll sein.
Wirkung
Beim Training mit der Zweibeinwippe werden vor allem die Brustmuskeln und die Rumpfträger gestärkt. Dies ist hilfreich, weil die Vorderbeine des Pferdes nur muskulär mit dem Rumpf verbunden sind.
In Bezug auf Atemwegsprobleme hat die Wippe aber noch weiteren positiven Aspekt, wie Eva-Marie Essers von Equilution, Wippentrainerin aus Nordrhein-Westfalen, erzählt:
„Viele Pferde haben in diesem Bereich aufgrund eines nicht passenden Sattels oder einer falschen Trainingsweise häufig mit muskulären und faszialen Verspannungen zu tun. Diese können nicht nur schmerzhaft sein, sondern auch zu Dysbalancen im Körper führen und Atemprobleme begünstigen.
Wenn ein Pferd atmet, werden die Rippen von den Zwischenrippenmuskeln nach oben und außen gezogen. Gleichzeitig zieht sich das Zwerchfell zusammen, sodass ein Unterdruck entsteht und Luft in die Lunge gesaugt wird. Kehren die Rippen in ihre Ausgangsposition zurück, entspannt sich das Zwerchfell, nimmt seine eigentliche Größe ein und drückt die Luft aus den Lungen – ähnlich wie bei einem Blasebalg. Sind die elastischen Strukturen dieses Körperabschnitts verspannt und weniger elastisch, kann sich auch der Brustkorb nicht weiten und das Zwerchfell als größter Atemmuskel kann sich nicht ausreichend bewegen.
Durch das sanfte und wiederholende Auf- und Abgleiten der Schulterblätter beim Wippen mit der Zweibeinwippe wird das gesamte umliegende Gewebe im Bereich der Schulter, des Widerrists sowie der vorderen Brust- und der Halswirbelsäule mobilisiert und gelockert.“
Trainingstipp Nr. 5: Balance Pads
Balance Pads oder andere instabile Untergründe aus Schaumstoff sind mittlerweile in fast jedem Stall zu finden.
Wirkung
Balance Pads sprechen besonders effektiv die Tiefenmuskulatur des Pferdes an. Diese Muskeln befinden sich an den Knochen und Gelenken – vor allem auch entlang der Wirbelsäule – und sorgen unter anderem für Halt und Stabilität. Das Stehen auf den instabilen Untergründen erfordert vom Pferd eine permanente Stabilisierung, weil die Instabilität es immer wieder aus der Balance bringt. Dabei werden die Haltemuskeln angesprochen. Diese müssen arbeiten und für Stabilität sorgen – was für die Pferde übrigens durchaus sehr anstrengend ist, auch wenn es nach nichts aussieht.
Die Tiefenmuskulatur reagiert vor allem auf Reflexe. Sie wird nicht bewusst vom Gehirn gesteuert.
Die Haltemuskeln arbeiten, wie andere Skelettmuskeln auch, mit Agonist und Antagonist. Wenn ein Muskel kontrahiert, wird der Gegenspieler gedehnt. So können Balance Pads und andere instabile Untergründe leichte Verspannungen in der Tiefenmuskulatur lösen. Pferde zeigen dies sehr häufig durch Kauen, Gähnen und Abschnauben, wenn sie auf den Pads stehen.
Auch die Atmung wird durch die Entspannung und das Lösen möglicher Verspannungen tiefer. Die Zwischenrippenmuskeln beispielweise, die eine wichtige Rolle in Bezug auf die Atmung spielen, gehören ebenfalls zu den Tiefenmuskeln, die angesprochen werden.
Lesetipp: Mehr zu den Themen Balance Pads und Pferdewippe lesen Sie auf dem Blog unserer Autorin Karolina Kardel
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Beitrag ein paar Ideen für Ihr Training mitgeben konnten. Unterstützen können Sie Ihr Pferd in akuten Phasen außerdem mit Soleinhalation.
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